Eine hoffnungspendende Stimme ist verstummt, Nelson Mandela hat seinen „langen Weg“ beendet. Aufrichtigkeit, Versöhnung, Gerechtigkeit, Vision, Würde, Frieden, ungebrochenes Rückgrat, gegenseitiger Respekt, Zukunftsausrichtung – dies sind nur einige der Begriffe, die sich mit ihm verbinden. Es ist das Privileg meiner Generation, in einer Welt aufgewachsen zu sein, zu der Nelson Mandela selbstverständlich gehörte und in der sein Wirken spürbar ist.
Nelson Mandela erinnert uns an unsere Verantwortung, für Gerechtigkeit zu sorgen, unter Einsatz der gebotenen Mittel zu kämpfen und niemals aufzugeben. Stets auf Versöhnung aus zu sein, den Blick nach vorn zu richten und für die gerechte Sache einzustehen. Als Messias wollte er sich nicht bezeichnen lassen. Schier übermenschlich wirkt dennoch seine Fähigkeit, nach all den Erfahrungen von Freiheitsberaubung und Demütigung nicht auf Vergeltung zu drängen. Mit den Stützen eines Regimes, das vom Rassismus getrieben ganze Volksgruppen ausgrenzte und brutal misshandelte, setzte er sich an einen Tisch zur Verhandlung. Nicht Individuen klagte er an, sondern Ungerechtigkeit und er wusste, eine bessere Zukunft ist nur gemeinsam gestaltbar. Unzählige Lektionen leiten sich von diesem Vorbild für uns ab: die Macht der Aktion, die Macht der Ideen, Risiken in Kauf zu nehmen, sich mit andersgesinnten Menschen auseinanderzusetzen, gerade auch im Widerspruch.
Hinter dieser weisen Haltung steht unter anderem die Philosophie des „uBuntu“. Begriffe wie Menschlichkeit oder ethischer Kompass nähern sich diesem Konzept, das afrikanischer Ausdruck gemeinschaftsstiftender Beziehungen ist. Existenziell wird der Begriff im Leitsatz „ich bin, weil ihr seid, und ihr seid, weil ich bin“. Menschliche Beziehungen und ihre Gestaltung stehen im Zentrum dieser Philosophie, die das Gegenüber definiert als Spiegel der eigenen Größe wie der Unzulänglichkeit und damit als wichtigstes Korrektiv des eigenen Handelns. Indem wir Sorge tragen für dieses Gegenüber und für die Gemeinschaft, sorgen wir für uns selbst und wachsen.
In diesem Geist setzen sich streitende Parteien an einen gemeinsamen Tisch und verhandeln, in diesem Geist setzen sich Stärkere für Schwächere ein, lassen alle ihre Stimme laut werden, um Unrecht aufzudecken. In diesem Geist entstehen gemeinsam Ideen für konsensuale Lösungen, für ein Miteinander. In diesem Geist sind friedliche Wege möglich selbst in festgefahrenen Konflikten. „It always seems impossible, until it is done“, zitiert Barack Obama in seiner heutigen Ansprache. Es ist möglich, auch wenn es mitunter eines so langen Atems bedarf wie im langen Kampf des Nelson Mandela.
Die Welt trauert seit Tagen und jetzt versammeln sich ihre Häupter zum großen Abschied, während der Himmel weint. Tata Madiba vereint die Menschen über seinen Tod hinaus. Über 100 Nationen erweisen ihm die Ehre und ihre Vorsitzenden schütteln sich die Hände. Auf dass dies ein echtes Zeichen sei und weiterwirke über diesen Tag hinaus.