Ein Land auf dem Weg von einer gestürzten Diktatur in eine Demokratie zu begleiten – diese große Aufgabe bestritten die Gewerkschaftszentrale Union Générale Tunisienne du Travail (UGTT), der Arbeitgeberverband Utica, die Anwaltskammer und die Liga für Menschenrechte (LTDH) in Tunesien ab 2013 gemeinsam.
Jetzt erhält das Quartett den diesjährigen Friedensnobelpreis für seinen Einsatz, den nationalen Dialog auf dem Weg zur Demokratie vorangetrieben zu haben. „Der entscheidende Faktor dafür, dass die Revolution in Tunesien ihren Höhepunkt in friedlichen, demokratischen Wahlen im vergangenen Herbst fand, waren die Anstrengungen des Quartetts“, erläutert das Komitee in Oslo seine Entscheidung.
Als das Geburtsland des Arabischen Frühlings gilt Tunesien, das den Übergang von einer Diktatur unter Ben Ali hin zu einer demokratischen Regierung meisterte. Im Interesse des Landes hatten islamistische und säkulare politische Vertreter sich an einen Tisch gesetzt, die wohl fortschrittlichste Verfassung der arabischen Welt ausgearbeitet und damit Frieden und Demokratie den Weg geebnet. All das wurde möglich in der Begegnung unter der Leitung des „Quartetts für den nationalen Dialog“, zu dem vier einflussreiche Organisationen sich zusammenschlossen.
Das Beispiel Tunesien gibt David Bohm Recht, für den der Dialog einen Weg zu grundlegender Transformation ganzer Gruppen darstellte. Bereits für Sokrates war der Dialog die tragende Verbindung zwischen gemeinsamen gesellschaftlichen Zielen, dem konkreten Verhalten und einer gelebten Gesellschaft. Im „Fließen von Worten“ (altgriech.: día-logos), im friedlichen offenen Austausch liegt seit jeher die Chance für Klärung, für Annäherung und gemeinsames Wachsen.
„Dialog, das meint die Bereitschaft zur Kooperation.“ Dem Wirtschaftsethiker Augustinus Heinrich Graf Henckel von Donnersmarck zufolge geschieht im Dialog die „Verwirklichung des Menschen“. Noch weiter geht der Religionsphilosoph Martin Buber, der den Dialog thematisch ins Zentrum seiner Philosophie rückte: „Der Mensch wird am Du zum Ich“. Zu seiner Zeit ermöglichte ihm die Offenheit und Bereitschaft zum echten Austausch die Größe, nach den menschenverachtenden Verbrechen des Zweiten Weltkriegs zur Verständigung aufzurufen. Er erhielt dafür unter anderem den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Bleibt uns auf die Signalwirkung der aktuellen Entscheidung aus Oslo zu hoffen – auf dass der Dialog sich durchsetze in diesen aufgerüsteten und eskalationsgefährdeten Zeiten: Der Dialog, der einzige wahre Weg zu friedlichem Miteinander.